Währenddessen in Antwerpen — Ein Interview mit Oliver Leu

malenki.net interview with Oliver Leu

Was fasziniert dich an der Fotografie?

Das Medium Fotografie eröffnet mir die Möglichkeit mich durch unterschiedliche Welten zu bewegen — mich mit Orten, Menschen und Themen zu verbinden.

Die entstehenden Bilder nutze ich dabei einerseits auf einer rationalen Ebene, um zu untersuchen, zu analysieren und so ein tieferes Verständnis für bestimmte Sujets zu erlangen. Fotografien können Ausgangspunkte sein, um in Themenkomplexe einzutauchen und spiegeln die Erkenntnisse, die ich unterwegs gesammelt habe, wieder.

Andererseits bin ich stets auf der Suche nach Wegen, um mit der Kamera Fotos zu schaffen, die ich im Moment der Aufnahme selbst nicht voraussehen oder beeinflussen konnte. So “finden” mich Bilder, die das bearbeitete Thema auf eine eigenwillige Manier verbildlichen. Sie funktionieren auf einer anderen Ebene als Sprache — sind ein emotionalen Zugang zur visuellen Welt. In meiner aktuellen Arbeit Leopold’s Legacy hat die Befragung und Nutzung von visuellem Material aus externen Quellen zum ersten Mal viel Raum eingenommen. Historische Postkarten und Fotografien aus Archiven, Screenshots, Google Street View Bilder und Collagen haben meine Herangehensweisen erweitert. Die Fotografie ist ein Werkzeug, das mir zu lernen und zu wachsen hilft.

malenki.NET #1 at Tique art space, Antwerp 2019
Work-in-progress. Presentation of ‘Leopold’s Legacy’ by Oliver Leu during malenki.NET #1 at Tique I art space in Antwerp 2019. Organized by malenki.net

Welche Rolle spielt das Publizieren in deiner fotografischen Praxis und im speziellen in deiner Publikation ONE und der Edition Leopold’s Legacy?

Mit einem Buch bringe ich den Lesern die Komplexität meiner Arbeiten anders nahe und ermögliche ihnen ein intimeres Erleben, als beim Besuch einer Ausstellung. Dabei hängt es vom Thema, dem Umfang und Budget des jeweiligen Projektes ab, ob ich ein Buch zusammen mit einem Verlag herausgebe oder es selbst publiziere.

Oliver Leu — One
ONE by Oliver Leu

Bei meiner Arbeit ONE, die als Dummy schon einige Jahre in der Schublade lag, bot sich eine Umsetzung als selbstpubliziertes Heft an, da ich eine Form fand, bei der ich alle Schritte selbst in die Hand nehmen konnte. ONE ist als poetischer Fotoessay 2008 während des hinduistischen Festes der Durga Puja in Kolkata entstanden. Mit der Publikation konnte ich mir das Material durch eine erweiterte Zusammenstellung der Motive neu erschließen und über die malenki.net Plattform und Buchmessen einem anderen Publikum zugänglich machen. Jedem der 50 Exemplare von ONE liegt eine handgefertigte Siebdruck-Edition bei. Für Leopold’s Legacy habe ich den Vorverkauf von Foto-Editionen genutzt, um einen Teil des Budgets für die Umsetzung der Publikation zu akquirieren.

Leopold's Legacy - Edition — Oliver Leu
Leopold’s Legacy – Edition — Oliver Leu

Woran arbeitest du im Moment?

Vor kurzem habe ich die Produktion meiner Publikation Leopold’s Legacy abgeschlossen, die im Juni 2020 bei The Eriskay Connection (Breda/NL) erschienen ist. Zum ersten Mal konnte ich ein Projekt in Zusammenarbeit mit einem Grafikdesigner (Carel Fransen) in die Form eines Buches überführen. Die thematischen Ausrichtung des Verlages auf Fotografie und recherchebasierte visuelle Arbeiten war mir bei dieser Kooperation besonders wichtig. So erzeugen wir Synergien, um im vielfältigen Diskurs zum zeitgemäßen Umgang mit der Kolonialgeschichte als Stimme wahrgenommen zu werden.

Leopolds Legacy by Oliver Leu. Published by The Eriskay Connection.
Leopold’s Legacy by Oliver Leu. Published by The Eriskay Connection.

Da vorläufig beinahe alle Buchmessen abgesagt sind, wird Leopold’s Legacy im Moment vor allem online beworben und auf unterschiedlichen Plattformen vorgestellt. Gerade suche ich mit Hilfe des Verlages weitere Partner für Besprechungen und die Präsentation der Publikation im Internet und in Zeitschriften. Durch die weltweiten Proteste der Black Lives Matter Bewegung haben die öffentlichen Debatten zur Repräsentation von Kolonialgeschichte, zu strukturellem Rassismus und zur Dekolonialisierung des öffentlichen Raumes nochmals an Dringlichkeit gewonnen.

Diese und weitere Arbeiten finden sie auch auf Oliver Leu’s Website www.oliverleu.com

Im September 2019 hat Oliver Leu an der ersten Ausgabe von malenki.NET teilgenommen. Weitere Impressionen und Informationen (in Englischer Sprache) zu unserem Veranstaltungsformat finden sie hier.

Die folgenden Publikationen von Oliver Leu sind bei malenki.net erhältlich.